So unterschiedlich die Zeiten von den Anfängen der ersten Püssensheimer Kirchenmusik bis zum Musikverein unserer Tage waren, so unterschiedlich waren auch die Zusammensetzungen und das Repertoire
der verschiedenen Gruppen, die in Püssensheim „Musik machten“. Alle hatten sie jedoch den einen Anspruch, durch ihr Musizieren das Dorfleben zu bereichern und um ein gutes Stück liebenswerter zu
machen. Durch diese kleine Chronik soll die bewegte Geschichte der „Püssensheimer Musik“ lebendig gemacht, und die Freude, die die Musiker angetrieben hat, spürbar werden.
Als Quellen dienten uns, neben Erzählungen und Schilderungen von älteren Musikern und Vereinsmitgliedern, die Ortschronik von Prosselsheims und seiner Eingemeindungen. Vor allem die Chronik
unseres aktiven Mitglieds Richard Brand, der sich vor einigen Jahren eingehend mit der Geschichte des Musikvereins Püssensheim beschäftigt hat, war uns sehr hilfreich.
Der Auftakt
Das Gründungsjahr 1887 fällt in eine Zeit, in der es in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens eine Aufbruchsstimmung gab. So wurden auch andere Vereine in Püssensheim, wie die Freiwillige
Feuerwehr oder der Kriegerverein um dieses Datum gegründet.
Das Leben war, mehr als heute, kirchlich geprägt und dies war auch der Anlass für einige junge Männer, sich zu einer Kirchenmusik zusammen zu schließen und die kirchlichen Feste im Ort zu
begleiten. Bald war der Einsatz in den Gottesdiensten nicht mehr genug und es wurde auch Tanzmusik gespielt, die nicht nur in Püssensheim, sondern auch in einigen Nachbarorten beliebt war.
Aus dem Jahre 1912 wird berichtet, dass sich diese erste Kirchenmusik um den späteren Bürgermeister Michael Böhm neu formierte und einmal in der Woche probte. Dazu wurde in der Püssensheimer
Familie Weickert, aus der selbst zwei Musiker stammten, die gute Stube in Beschlag genommen, wo unter Anleitung eines Musikers aus Dipbach die Treffen stattfanden. In den Kriegsjahren 1914 bis
1918 dürften die Auftritte der Kapelle nur sporadisch gewesen sein. Es lassen sich hierüber keine Aufzeichnungen finden.
Zwischen den Weltkriegen
In den Jahren 1923 und 1924 fanden sich wieder einige junge Männer zu einer Kirchenmusik zusammen, die auch zu Festen und Tanzveranstaltungen aufspielte. Aus dem überlieferten Notenmaterial geht
hervor, dass das Repertoire dieser Kapelle sich bereits deutlich erweitert hatte. So standen Konzertstücke, Walzer, Polka, Rheinländer, Dreher und Polonaise auf dem Programm. Im Folgenden Bericht
kann man nachspüren, dass das Musizieren auf Feiern nicht nur Spaß machte, sondern für die Musiker auch ein guter Nebenverdienst war:
„…im Gegensatz zu heutigen Bällen wurde damals von den Veranstaltern kein Eintrittsgeld verlangt und auch keine Musik bezahlt. Die Musiker mussten sich das Geld selbst einsammeln. Für je drei
Touren musste der Tanzherr 10 Pfennig bezahlen. Nach Beendigung des zweiten Tanzstückes gingen Richard Ströbert und Richard Hetterich durch die Reihen und kassierten den Betrag ein. Eine Polka
als drittes Tanzstück beendete die Tanzfolge.“ (aus der Arbeit Richard Brands)
Am Ende einer Veranstaltung blieben pro Musiker 15 bis 20 Mark übrig. Wenn man bedenkt, dass zu jener Zeit der Liter Bier 50 Pfennige kostete, so kann man sehen, dass solche Auftritte lukrativ
waren.
Die Kapelle bestand unter der Leitung von Richard Ströbert bis in das Jahr 1939, in welchem mit der Einberufung einiger Mitglieder ein weiterer Schlusspunkt gesetzt war. Während des Zweiten
Weltkrieges bis in das Jahr 1946 wurde das Musizieren auf die Kirchenmusik beschränkt.
Die Kapelle „Frankonia“
Die Püssensheimer Kapelle fand nach dem Krieg nicht mehr in gewohnter Besetzung zusammen. Einige Musiker waren im Krieg getötet worden und die meisten anderen hatten in der Phase des völligen
Zusammenbruchs gehörig zu tun, die Familie und Haus und Hof über Wasser zu halten. So waren es junge Burschen, die der Schuhmacher Julius Brand in seiner Werkstatt zum proben begeistern konnte.
Bemerkenswert ist die Tatsache, dass mit Artur Seufert und Robert Heinrich zwei heute noch aktive Musiker und Ehrenmitglieder des Vereins unter ihnen waren. Wieder war es die Kirchenmusik, die
den Anstoß zum gemeinsamen Spielen gab. Die jungen Männer wurden in den kommenden Jahren durch die Ortsgeistlichen Kaplan von Welden und Pfarrer Josef Knapp unterstützt und motiviert. Durch
persönliche Kontakte einzelner Mitglieder konnten die Musiker im Winter 1949/50 Unterricht bei Professor Stegmann in Würzburg nehmen, was die spielerischen Fähigkeiten der Kapelle wesentlich
erweiterte. Jetzt konnten auch immer mehr nicht kirchliche Auftritte, wie Kirchweihtanz und Gartenfeste gespielt werden. Die Gründung einer KLJ Gruppe (Katholische Landjugend) trug ebenfalls dazu
bei, dass die Musik auch außerhalb Püssensheims bei Pilgerzügen und Bundestreffen auftreten konnte. In den folgenden Jahren wurde eine fränkische Tracht beschafft, die bei Gelegenheiten wie dem
Oktoberfest 1961 neben der guten Musik einen bleibenden Eindruck von der kleinen Kapelle aus Püssensheim hinterließ.
Die fidelen Püssensheimer
Im Jahr 1974 nannte sich die Kapelle „Die fidelen Püssensheimer“ und war weit über die Grenzen des Landkreises hinaus bekannt. Zahlreiche jährlich wiederkehrende Veranstaltungen, Weinfeste und
auch einmalige Ereignisse, wie ein Staatsbesuch und die Balthasar Neumann Feiern im Jahr 1978 wurden musikalisch begleitet. Für die Teilnahme am Oktoberfestzug 1980 musste die Tracht
vervollständigt werden und durch den fränkischen Dreispitz ergänzt werden. Höhepunkt des Jahres 1981 war das Kreismusikfest, bei dem eine neue Vereinsfahne geweiht werden konnte. Die Kapelle war
mittlerweile so bekannt, dass den Musikern vor lauter Engagements bald kein freies Wochenende mehr blieb und der Aktionsradius sich auf ganz Süddeutschland ausdehnte. Aus der Städtepartnerschaft
Gerolzhofens mit der französischen Stadt Mamers entwickelten sich mehrere Gastspielreisen vor allem in den Jahren 1982 bis 1986. In den 90er Jahren wurden aus den fidelen Püssensheimern die
„Fröhlichen Franken“, die mit ihrer Musik im Bigband-Sound viele Veranstaltungen und Feste in Süddeutschland berreicherten.
Die Jugendkapelle
Das führte zu der Situation, dass die Besetzungen oft wechselten und Aushilfen gesucht werden mussten. Deshalb begann man mit der musikalischen Ausbildung junger Nachwuchsmusiker zunächst unter
der Leitung von Artur Seufert und Walter Schwing, später, als die Jugendkapelle 1979 eigenständig geworden war durch die Herren Geiger, Kollbacher und Esser, allesamt Berufsmusiker vom
Stadttheater in Würzburg. Die Jungen Musiker wurden schrittweise bei den Fidelen Püssensheimern integriert und die verbliebenen Bläser wieder von Artur Seufert, der auch die Fidelen Püssensheimer
leitete, unterrichtet und mit Notenmaterial versorgt.
1985 bildete sich vor allem aus jungen Musikern eine Gruppe, die fränkische Tanzmusik (Walzer, Rheinländer, Schottisch, Mazurka) in kleineren Besetzungen spielte und sich in diesem Metier auch
fortbildete. Es wurden bis 1992 mehrere Tanzabende und Tanzkurse organisiert, sowie bei zahlreichen Weinproben, Kommersabenden und Familienfeiern musiziert.
Die Püssensheimer Musik heute
Die Leitung der Kapelle übernahmen im Jahr 2001 Stefan Börger und Christian Bach.
Mit Übernahme des Taktstockes wurde neues Notenmaterial mit aktueller zeitgemäßer Musik angeschafft und einstudiert. Somit konnten die neuen Dirigenten mit ihren Musikern einige Veranstaltungen
ins Leben rufen, die das Dorfleben Püssensheims sicher bereichern. Dazu gehören das Brunnenkonzert, das erstmals 2005 stattfand und das Adventsblasen.
Neben den musikalischen Aktivitäten sind den Dirigenten Unternehmungen, die das Zusammengehörigkeitsgefühl der Musiker stärken wichtig.
An der Spitze der Jugendkapelle wechselte 2004 ebenfalls der Taktstab. Artur Seufert übergab ihn an Melanie Popp, die mit den jungen Musikern beim Vorspielnachmittag, dem Adventsblasen und am
Lindenblütenfest auftritt aber auch ohne Instrument beispielsweise beim Kegeln und Eislaufen für gute Stimmung sorgt.